Führungskompetenzen in Umbruchzeiten stärken

Die Anforderungen an Führungskräfte wachsen stetig – besonders in Zeiten von Transformationen und Unsicherheit. Die Digitalisierung, hybride Teams, veränderte Erwartungen der Mitarbeitenden und Krisensituationen fordern neue Kompetenzen und das „Conscious Leadership“ bietet hier einen spannenden neuen Ansatz. Was also bedeutet bewusste Führung konkret und wie gelingt der Transfer in die Praxis?

Raus aus der Reaktivität – das Konzept der „Linie“

Ein zentraler Ansatzpunkt bewusster Führung ist das Konzept der sogenannten „Linie“. Stellen Sie sich diese Linie als Bewusstseinsgrenze vor, an der sich Ihr Verhalten in schwierigen Situationen entscheidet: Sie befinden sich entweder „über“ oder „unter“ dieser Linie.

Unterhalb der Linie reagieren Sie meist unbewusst, sind emotional getriggert und handeln aus einem Modus von Verteidigung, Flucht oder Erstarrung heraus. Typische Beispiele: Sie werden laut, wenn das Team nicht performt, verschieben unangenehme Gespräche oder nehmen Mitarbeitenden schwierige Aufgaben ab, um Konflikte zu vermeiden. Diese Muster führen häufig ins sogenannte „Dramadreieck“ aus Täter, Opfer und Held – eine Dynamik, die das Team belastet und Innovation blockiert.

Über der Linie hingegen handeln Sie bewusst, selbstreflektiert und proaktiv. Sie übernehmen volle Verantwortung für Ihre Reaktionen und verstehen Konflikte als Chance zur Weiterentwicklung. In diesem Zustand fördern Sie Offenheit, Kreativität und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Vom Dramadreieck zum Verantwortungsdreieck

Unter der Linie sind Führungskräfte oft im Dramadreieck gefangen, in dem Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen dominieren. Der Wechsel über die Linie gelingt durch bewusste Entscheidung für Verantwortung und Reflexion:

  • Das Opfer wird zur Gestalterin: Statt Machtlosigkeit zeigt sie Eigeninitiative und sucht aktiv nach Lösungen.
  • Die Täterin wird zum Herausforderer: Ihre Energie richtet sich nicht länger gegen Menschen, sondern konstruktiv auf das Überwinden von Herausforderungen.
  • Die Heldin transformiert sich zum Coach: Statt Probleme für andere zu lösen, fördert sie deren Eigenverantwortung und Potenzialentwicklung.

Beispielsweise könnte eine Führungskraft, statt sich ständig um Konflikte zwischen Mitarbeitenden zu kümmern, diesen helfen, eigenständig und konstruktiv Lösungen zu entwickeln – ein entscheidender Schritt hin zu mehr Selbstorganisation.

Praxisimpulse: So gelingt Ihnen bewusste Führung im Alltag

Um bewusst zu führen, können Sie konkret an folgenden Punkten arbeiten:

  1. 100% Verantwortung übernehmen Machen Sie sich bewusst, dass nicht die Ereignisse an sich, sondern Ihre Reaktion darauf entscheidend ist. Fragen Sie sich regelmäßig: „Wie möchte ich auf diese Herausforderung reagieren?“
  2. Emotionale Selbstregulation stärken Erkennen Sie eigene Trigger und lernen Sie, bewusst innezuhalten und tief durchzuatmen, bevor Sie reagieren. Auch einfache Tricks wie bewusstes Verändern der Körperhaltung können helfen, wieder über die Linie zu kommen.
  3. Bewusstes Zuhören fördern Hören Sie Mitarbeitenden bewusst auf allen Ebenen zu: inhaltlich, emotional und intuitiv. Dies ermöglicht Ihnen, echte Bedürfnisse zu erkennen und konstruktiv zu reagieren.
  4. Mangelorientierung überwinden Statt sich auf das zu fokussieren, was fehlt (z.B. Zeit, Geld, Anerkennung), richten Sie Ihren Blick bewusst auf Ressourcen und Potenziale. Diese Haltung fördert Innovationsgeist und Motivation.

Beispiel aus der Praxis

In einem mittelständischen Unternehmen führte ein Führungsteam regelmäßige Reflexionstreffen ein, bei denen explizit gefragt wurde: „Sind wir gerade über oder unter der Linie?“ Dieses einfache Ritual erhöhte nicht nur die Selbstreflexion, sondern führte auch zu einer offeneren Kommunikationskultur, die weniger von Drama und Konflikten, sondern von konstruktiven Lösungen geprägt war.

Bewusst führen lernen – ein stetiger Prozess

Bewusste Führung ist kein einmaliges Event, sondern ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess. Gerade in Zeiten des Umbruchs bietet dieser Ansatz einen klaren Weg, Ihre Führungskompetenzen zu stärken, Ihre Kommunikation zu verbessern und Teams resilienter und kreativer zu machen.

Zum Nachdenken und Diskutieren:

  • Wann bemerken Sie, dass Sie unter die Linie rutschen?
  • Welche Trigger erkennen Sie bei sich und wie könnten Sie künftig bewusster reagieren?
  • Was würde sich in Ihrem Team verändern, wenn bewusste Führung konsequent gelebt würde?