Beispiele für Symptombehandlung
In unserem letzten Blog-Artikel haben wir beleuchtet, weshalb es so essenziell ist, die eigentlichen Ursachen eines Problems zu verstehen und nicht nur an den offensichtlichen Symptomen herumzudoktern. Wenn auf tiefgreifende Macht- oder Strukturfragen verzichtet wird, sind vermeintliche Lösungen oft nur kurzfristig wirksam oder gar nur Feigenblattpolitik. Damit Sie ein konkreteres Bild bekommen, möchten wir Ihnen im Folgenden fünf Beispiele aus dem Corporate Change aufzeigen, die diesen Mechanismus deutlich machen.
1. Diversity-Abteilung ohne strukturelle Änderungen
In vielen Unternehmen gibt es mittlerweile Teams, die sich ausschließlich mit „Diversity & Inclusion“ befassen. Das klingt modern und progressiv. Dennoch bleiben wesentliche Kriterien, etwa Beförderungsroutinen und Gehaltsstrukturen, unverändert. So entsteht zwar ein offizielles Bekenntnis zur Vielfalt, doch im Kern operiert das Unternehmen weiter mit den gleichen, oft intransparenten Mechanismen. Wird die Entwicklung, wie derzeit in den USA zu beobachten, durch regressive Dynamiken angegriffen, wird schnell deutlich, wie wenig nachhaltig die Programm waren, da sie sich häufig einfach abschalten lassen.
Konsequenz: Mehr Symbolik als echter Kulturwandel.
2. CSR-/Nachhaltigkeits-Abteilung als Feigenblatt
Auch im Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) oder Nachhaltigkeit werden häufig eigene Einheiten gegründet. Diese präsentieren dann stolz Berichte und Leuchtturmprojekte – während in Beschaffungs- oder Produktionsprozessen kaum Anpassungen stattfinden. Der Effekt ist zwar gut nach außen kommunizierbar, intern ändert sich aber wenig.
Konsequenz: Geringer Einfluss auf das Kerngeschäft, daher kaum substanzielle Effekte.
3. Innovation Labs statt eines ganzheitlichen Kulturwandels
„Innovation Labs“, „Digitale Hubs“, „Garagen“ oder ähnliche Abteilungen werden ins Leben gerufen, um zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Doch wenn die tragenden Geschäftsbereiche unberührt bleiben – mit denselben Prozessen und denselben Entscheidungsträgern, die den Status quo verteidigen – verpuffen viele dieser Ideen. Das „Lab“ wird zu einer „angeflanschten“ Spielwiese, die wenig in die Gesamtstrategie hineinwirkt.
Konsequenz: Tolle Prototypen, die selten eine echte Breitenwirkung entfalten.
4. Centers of Excellence ohne Macht, wirklich zu verändern
Eine zentrale Stelle für „Exzellenz“ klingt ambitioniert: Ob Lean Management, Prozessoptimierung oder Agilität – von hieraus soll alles besser werden. Wenn diese „Exzellenz-Beauftragten“ jedoch wenig Befugnis haben und die internen Entscheidungsträger in den traditionellen Strukturen bleiben, führt das nur zu punktuellen Verbesserungen. Weitreichende Veränderungen, die operative Bereiche umkrempeln, bleiben aus.
Konsequenz: Gute Empfehlungen, aber keine flächendeckende Wirkung, weil das Machtgefüge unverändert bleibt.
5. Betriebliches Gesundheitsmanagement ohne Stressprävention
Gesundheitsangebote im Unternehmen – zum Beispiel Sportkurse oder Achtsamkeitstrainings – sind grundsätzlich eine gute Sache. Sie helfen einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, persönliche Ressourcen zu stärken. Bleiben jedoch die Belastungsfaktoren (extreme Arbeitsverdichtung, unklare Rollen, ungesunde Führungskultur) unangetastet, werden Symptome behandelt, nicht Ursachen.
Konsequenz: Kurzfristige Entlastung, langfristig verstärken sich die Stressquellen wieder.
Was diese Beispiele gemeinsam haben
Ganz gleich ob es um mehr Diversity, Innovation oder Nachhaltigkeit geht: Die Schwierigkeit liegt darin, tief verwurzelte Prozesse und Machtverhältnisse anzugehen. Neue Abteilungen oder Sonderprojekte sind oft bequemer und schneller umgesetzt, weil sie die Kerngeschäfte und Entscheidungsstrukturen nicht unmittelbar herausfordern. Doch genau dies wäre nötig, um langfristig Widerstände zu überwinden und Veränderung wirksam zu verankern.
Wie Sie echten Wandel verankern
- Klare Verknüpfung mit dem Kerngeschäft:
Setzen Sie strategische Themen wie Innovation, Nachhaltigkeit oder Diversity direkt in Ihren Kernprozessen um. Wenn sich Erneuerungen nur an einer separaten Stelle abspielen, fehlt der breite Durchgriff in die operative Praxis. - Top-Management als Treiber:
Wesentliche systemische Veränderungen sind Chefsache. Nur wenn die oberste Führungsebene selbst Strukturen und Prozesse aktiv hinterfragt und mitgestaltet, können neue Ideen und Ansätze nachhaltig Fuß fassen. - Konfliktfähigkeit stärken:
Tiefgreifende Veränderungen erzeugen zwangsläufig Reibung. Suchen Sie den offenen Austausch, statt Kontroversen zu vermeiden. Konflikte sind oft ein Hinweis darauf, dass wesentliche Fragen noch ungelöst sind. - Macht- und Privilegienfragen zulassen:
Wer von bestimmten Regeln, Beziehungen oder Statussymbolen profitiert, hat oft wenig Anreiz, sie aufzugeben. Echte Veränderung erfordert den Mut, diese Fragen transparent zu machen – nur so lassen sich Blockaden auflösen. - Double-Loop-Learning etablieren:
Gehen Sie über die bloße Fehlerkorrektur hinaus. Analysieren Sie, warum Probleme entstehen, und hinterfragen Sie Grundannahmen, Routinen sowie Entscheidungslogiken. Diese doppelte Lernschleife hilft, tiefere Ursachen zu erkennen. - Behutsam, aber konsequent vorgehen:
Wer Veränderungen mit der Brechstange durchsetzen will, überfordert die Organisation schnell. Gestalten Sie einen klaren Entwicklungsfahrplan mit Etappenzielen, Pilotprojekten und Feedback-Schleifen. So sorgen Sie für Anschlussfähigkeit und integrieren die Neuerungen in bestehende Strukturen, ohne wichtigen Rückhalt zu verlieren.
Fazit
Die Einrichtung von Frauenbeauftragten oder einer „Diversity-Abteilung“ ist an sich nicht falsch – sie kann sogar ein erster wichtiger Schritt sein, um dem Thema Sichtbarkeit zu verleihen. Allerdings entsteht nachhaltiger Fortschritt erst dann, wenn die grundlegenden Strukturen, Kulturen und Entscheidungsmechanismen nicht ausgeklammert bleiben. Das bedeutet zwar, unbequeme Debatten anzustoßen und bestehende Machtkonstellationen zu hinterfragen. Doch wer den Mut dazu hat, kann aus kurzfristigen Aktionismen echte Transformation entwickeln.
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